Ju Kengo: Alex, wie bist du zum Karate gekommen?
Alexander Eith: Ich habe mit Ende zwanzig angefangen, tatsächlich auch beim Ju Kengo. Kampfsport hat mich gereizt. Bis 12 hatte ich Fußball gespielt und habe dann die ganzen Jahre gar keinen Sport mehr gemacht. Karate hat sich zu meiner Leidenschaft entwickelt – ich habe immer weiter gemacht und das Training in mein Leben integriert.
… und jetzt hast du den 3. Dan. Was hat dich so an Karate gefesselt?
Vielleicht ist es diese ständige Weiterentwicklung. Im Karate geht nichts schnell, du brauchst Zeit zum Wachsen. Du wirst größer, aufrechter, selbstbewusster. Es geht nicht darum, dass du toll bist und immer toller wirst. Sich euphorisch reinzustürzen bringt nicht so viel wie die kontinuierliche Arbeit an deinen Defiziten. Dranbleiben, unangenehme Phasen überstehen, sich mit dem eigenen Ego auseinandersetzen – das war wohl das Richtige für mich.
Das klingt ernst – ist so auch dein Training?
Karate ist ja ein Kampfsport, im Grundgedanken geht es immer um die absolute Technik. Trotzdem oder gerade deshalb wird in meinem Training auch viel gelacht, es soll Spaß machen. Die Ernsthaftigkeit findet jeder bei sich selbst. Ich finde, das wichtigste Ziel beim Karate ist die Charakterbildung.
Was passiert da genau?
Indem du konsequent an deinen Schwächen arbeitest, lernst du viel über dich. Konzentration, Körperbeherrschung, Wille, die Auseinandersetzung mit deinem Gegenüber. Letztlich kämpfst du immer gegen dich selbst und kannst daran wachsen. Dann ist es übrigens auch unerheblich, ob du jung, alt, talentiert oder eher unsportlich bist. Als Trainer oder Prüfer schaue ich darauf, ob jemand seine Möglichkeiten auslotet, bereit ist alles zu geben. Ein älterer Mann kann eine bessere Karateprüfung machen als ein 20jähriger, der nicht bereit ist, an seine Grenzen gehen.
Eine gute Nachricht für Späteinsteiger?
Klar, Karate ist keine Frage des Alters. Eher eine Frage der Einstellung.
Karate ist ja nicht unbedingt ein Wellness-Sport, gerade Anfänger müssen sich erst mal in vieles reinfinden. Mit welchen Argumenten überzeugst du Interessierte, den Einstieg zu machen?
Toll ist schon mal, dass man Karate bis ins hohe Alter machen kann, das ist wirklich was fürs Leben. Du kriegst eine gute Haltung, Kraft, Wendigkeit und bekommst eine ganz andere Ausstrahlung im Alltag. Karate setzt ungeahnte Potenziale frei, du entdeckst Energien, an die du sonst nicht rankommst. Und das alles in einem sehr netten Verein, mit sympathischen Menschen für sehr wenig Geld. Das sind doch schon ein paar Argumente, oder?
Zwanzig Jahre intensiv Karate machen, wie beeinflusst das deinen Alltag?
Zum Beispiel durch Souveränität im täglichen Leben. Durch Karate habe ich gelernt, mich unangenehmen Situationen zu stellen, nicht auszuweichen. Oder auch eine Balance zu finden zwischen Anspannung und Entspannung. Ich habe meine Grenzen kennengelernt, sie ausgeweitet, aber auch Frieden mit ihnen gefunden.
Insgesamt bin ich in den zwanzig Jahren sehr viel klarer geworden.
Ist das ein wichtiges Motiv für dich?
Klarheit ist mir wichtig und sie spielt eine wesentliche Rolle im Karate – es gibt klare Ansagen, klare Abläufe, klare Ausführung. Das passiert weniger im Kopf als in der Bewegung. Karate hat da etwas Meditatives, du kannst in den Abläufen versinken, das Denken abstellen. Das ist für mich wenig esoterisch, sondern sehr konkret. Du brauchst über Karate keine Bücher zu lesen oder Vorträge zu hören – es wirkt, indem du es tust.